Weihnachten 2004 in St. Luke`s

Mittwoch 29. Dezember 2004

..wie Dr. Hans Schales Weihnachten in Zimbabwe erlebt...

An Heiligabend haben die Schulkinder während der Christmette anstatt der Lesung die Geburt Christi im Spiel dargestellt. Die Begeisterung der Kinder hat mir feuchte Augen gemacht.

Nach der Messe saßen Father Sipho, wir drei Ärzte und Antonia (Köchin) bei zwei Flaschen Wein und Weihnachtsgebäck in gemütlicher Runde.Am Samstagmorgen bin ich kurzentschlossen nach Bulawayo aufgebrochen. Dr. Susi und Dr. Julie kümmern sich um die mit Messer und Axt verletzten Ndebele aus der Gwampa Region, die an Feiertagen viel selbstgebrautes Bier trinken und Weihnachten auf ihre Art feiern.

Ich lege mir im Expert eine CD des Würzburger Missio-Chores auf und fahre Richtung Bulawayo. Ich überhole drei lange Laster, die mit Kohle aus Hwange beladen sind. Ab und zu kommen mir Urlauber aus der Stadt entgegen, die über die Feiertage Abwechslung im Tiepark oder an den Fällen suchen. Es bedeutet für mich bereits eine Entspannung und Vorfreude, durch die schöne Landschaft zu den Mariannhillern zu fahren. Auf der 140 km langen Strecke sind außer der ´Maul und Klauenseuche Kontrolle` noch zwei Roadblocks der Polizei zu passieren. Die Beamten kennen schon das Auto mit dem St.Luke`s Aufkleber und winken durch. Auf halber Strecke nehme ich einen am Straßenrand winkenden passagier mit. Leider spreche ich kein Ndebele und er kein Englisch. Aber auch ihm gefallen sichtlich die afrikanischen Lieder und Trommelwirbel der CD, die gegen Ende der Fahrt vom Saarbrücker Gospelchor fortgesetzt werden.

Freudige Begrüßung im Convent, wo Fr. Alfons mit Bach`scher Orgelmusik seiner Weihnachtsfreude Ausdruck verleiht.Nach einem besonders guten Mittagessen mache ich mich trotz starker Bewölkung auf, um in dem 50 km entfernten Matopos Park den Mount Inungu zu besteigen. 30 km südlich der Stadt werden die Wolken immer dunkler und bedrohlicher. Als ich am Eingangstor zur Felslandschaft ankomme brechen die Shleusen auf. Es machte keinen Sinn abzuwarten, denn es ist schon spät. Ich kehre um.

Am Sonntagmorgen nach der Sieben Uhr Messe und Früstück starte ich erneut Richtung Matopos, diesmal bei leicht bewölkten Himmel. Kurz nach neun stehe ich wieder vor dem Tor. Ich erkläre, daß ich einen Freund auf der Inungu Farm besuchen will und darf ohne Bezahlung passieren. Ich lasse dem freundlichen Personal einige alte Zeitungen und von Atonias Weihnachtsgebäck da. So bleibe ich in guter Erinnerung, wenn ich wieder einmal mit Gästen zum Park komme. Heute bin ich wohl der erste Besucher, es ist alles so friedlich und ich bin gut gelaunt. Nach einer halben Stunde stelle ich das Auto vor dem verschlossenen Inungu-Farmtor ab, schlüpfe durch ein kleines Seitenürchen und gehe mit leichtem Rucksackgepäck zu Fuß weiter. Durch die Trecking-Sandalen spüre ich noch das feuchte Gras, meine festen Wanderschuhe habe ich in St.Luke`s vergessen. Es sind nur 15 Minuten bis zum Fuß des Berges. Eine Großfamilie Warzenschweine hat mich im Visier und als ich näher komme,stiebt sie mit aufgerichteten Schwänzen davon. Auf einem Felsen sonnen sich Klippschliefer.

Der Mount Inungu, mit 1501 Metern die die höchste Erhebung im Matopos Park, hat für mich eine besondere Bedeutung. Mehrere Holzkreuze waren zwischen1964 bis 1982 auf seinem Gipfel errichtet und immer wieder vom Wind oder Vandalen zerstört worden, bis es Fr. Odilo gelang eine Gruppe wagemutiger Männer zu motivieren, das jetzige Kreuz 1982 zu errichten. Es ist eine aluminiumverkleidete 11,20 m hohe Stahlkonstruktion, die in einer halben Tonne schweren Bodenplatte verankert ist. Fr.Odilo, jetzt 92 Jahre, kam Ende der dreißiger Jahre nach Rhodesien und ist der älteste noch aktive Mariannhiller Missionar. Er hat neben vielen Missionsstationen, Kirchen, Schulen, Krankenhäusern 1950 auch das St.Luke`s Missionshospital gegründet. Jedes Jahr, am Afrikatag, wird am Kreuz eine Hl.Messe unter Teilnahme von ca. 500 Menschen gefeiert.

Heute bin ich alleine. Es sind schätzungsweise nur ca. 200 Höhenmeter zu überwinden. Nach einem flachen Stück durch z.T. modrigen, z.T. lichten, herb riechenden Wald geht es auf schmalem Pfad den ersten Felsen entgegen. Junge Menschen springen wie Gazellen in 20 Minuten bis zum Gipfelkreuz. Ich merke schon an der zweiten Kreuzwegstation, es sind deren 14, daß ich schon wochenlang nicht mehr Rad gefahren bin, oder sonst sportlich tätig war und lasse es gemütlich angehen. Neugierige Vögel betrachten den einsamen Wanderer und ich nehme mir Zeit, die Vögel und Bäume zu betrachten, oder einen Blick zurück in die Tiefe auf bizarre Felsformationen zu werfen. Die meisten Felsentürme sind mir von früheren Wanderungen vertraut, aber ich entdecke immer wieder neue Konfigurationen. Ich kann mich nicht satt sehen an den Wurzeln der wilden Feigenbäume, die riesige Felsbrocken wie mit Krakenarmen umschlingen. Geben die Wurzeln den Felsen Halt, oder stützen die Felsen die Bäume an den steilen Hängen?

Jetzt muß ich mich ganz klein machen, um einen niedrigen Felstunnel zu passieren, dann muß ich mich rechts und links an Felsbrocken abstützen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Nach der zehnten Kreuzwegstation bleiben Bäume und Büsche zurück. An dem steilsten Stück vor dem Gipfel ist ein Stahlseil gespannt, was den weiteren Aufstieg erleichtert. Es ist fast geschafft, noch ein paar große Felsen kann man umgehen oder in direkter Linie überwinden, dann sieht man das helle Kreuz vor sich in den blauen Himmel ragen. Kurz vor dem Gipfel steht einer der schönsten Feigenbäume, gleichzeitig die 14. Kreuzwegstation.

Eine seiner gewaltigen, felsenumklammernden Wurzel birgt einen Hohlraum, in den Fr.Odilo die Asche eines verstorbenen Freundes zur letzte Ruhe getragen hat. Ein wunderbarer Platz! Nach kurzem Gedenken stehe ich nach gut 30 Minuten Aufstieg am Fuß des Kreuzes. Ein erfrischender Schluck des kühlen St.Luke`s Wassers aus der Thermosflasche. Ich genieße den Rundblick: Maleme Dam, Inungu Farm,Worlds View, Silozwane...

Das Glück wäre fast perfekt, wenn nicht die lästigen Mopane Fliegen sich auf meine Nasen-und Ohröffnungen sowie auf die Augen konzentriert hätten. Ich wurde belehrt, man soll sie nicht verjagen, sondern mit Verachtung bestrafen. Ich schaue den vielen verschiedenen Schmetterlingen zu, die um das Kreuz tanzen.

Dann mache ich noch eine ´Wackelprobe` am Kreuz, um Fr.Odilo beruhigen zu können. Das Kreuz wird uns alle überleben und wird noch viele Generationen motivieren, den Mount Inungu zu besteigen!

Ich kann nur 20 Minuten auf dem Gipfel verweilen, denn ich habe Frau Dr.Eder, einer 85 jährigen Missionsärztin versprochen, daß ich sie auf meinem Rückweg abholen werde, um sie zu den Mariannhillern zum Weihnachtsessen zu bringen. Bergab geht es bekanntermaßen schwieriger, die Oberschenkelmuskulatur und die Knie werden mehr gefordert. Ich bin froh, daß der liebe Gott, ein paar junge Baumstämme zwischen den Felsen wachsen ließ, an denen man sich abstützen kann.

Am Fuß des Berges begrüßt mich ein Rudel Paviane. Der Expert wartet geduldig im Schatten eines Baumes. Ich genieße noch etwa 20 Minuten Fahrt durch den ruhigen Park bis ich mich am Tor von der herrlichen Landschaft verabschiede.

Ich freue mich schon jetzt auf den nächsten Besuch, vielleicht in Gesellschaft mit lieben Freunden!

Viele Grüße und schon jetzt `Guten Rutsch´
Hans Schales