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Dr. Flöthner in St. Lukes berichtet

Freitag 11. August 2006

Vorstandsmitglied Reiner Flöthner fliegt 2 Wochen nach Zimbabwe, um vor Ort die einzelnen Projekte des Afrikaprojektes zu besichtigen und zu dokumentieren. Dr. Flöthner arbeitet auch im Hospital mit.

St. Lukes 12.-16. August 2006

Nach einer durch die Ereignisse in London nicht gestörten Anreise kam ich am Samstagnachmittag auf dem Flughafen in Bulawayo an. Die Gepäckkontrolle versetzte mir zuerst einen tiefen Schrecken. Allen Passagieren vor mir wurden die Gepäckstücke bis auf den Boden gefilzt. Ich hatte Hans schon hinter der Absperrung entdeckt, er hätte mir helfen können. Dies war nicht nötig. Mein erster kurzer Satz: I AM A DOCTOR FOR ST. LUKES HOSPITAL wirkte Wunder.
Wir trafen eben bei Dunkelheit - später sollte man hier nicht unterwegs sein - in St. Lukes ein. Beim Abendessen lernte ich Holger - einen jungen deutschen Arzt, der für ein Jahr Hans unterstützt - und seine Frau Angela kennen. Beide ein absoluter Gewinn für das Krankenhaus und Hans. Holger ist Kinderarzt, Angela betreut das Aidsprojekt und vieles mehr.
Am Sonntagmorgen erste Visite mit Hans. Auf der geburtshilflichen Station herrschte naturgemäß eine gute Stimmung. Im Gegensatz dazu der Eindruck auf der Frauenstation. Viele schwerkranke, meist junge Frauen. Oft Endstadien der Aidserkrankung mit Lungenentzündungen, Tuberkulose, Malaria und zum Teil ausgedehnten Abszessen. Frauen, denen man nur noch symptomatisch helfen kann, d.h. Schmerzen lindern.

Eine seit kurzer Zeit mögliche Therapie zum Hinauszögern der Erkrankung oder zur Linderung der Beschwerden ist hier nicht mehr möglich.
Am Vormittag sind wir noch mit dem Peugeot Expert in den Busch zu einem Camp der Forstverwaltung gefahren, um den dortigen Automechaniker zu suchen. Beide unserer Geländewagen sind defekt! Am Nachmittag war wenigstens weder einer fahrbereit.
Auf dem Rückweg sahen wir nach einer kleinen Rundkirche im Busch, die Hans sehr am Herzen liegt und deren Aufbau er finanziert hat. Dort hatten sich ein Lehrer der MAFA-Schule, etwa ein Dutzend Erwachsene und mehrere Kinder zu einer Andacht versammelt. Auf die Frage nach dem Notwendigsten wurde geantwortet: EIN WASSERBOHRLOCH MIT HANDPUMPE. Dankbar wurden unsere 8 Apfelsinen entgegengenommen, die wir am Vortag einer Frau am Straßenrand abgekauft hatten.
Am Nachmittag dann ein ausgedehnter Spaziergang durch das Areal des Krankenhauses, um die vom Afrikaprojekt finanzierten Maßnahmen zu sehen.
Die Nähschule - ein schöner freundlicher Bau - wird schon seit längerer Zeit genutzt. Das Gästehaus mit 3 Zimmern - hier wohne ich - erweist sich immer mehr als eine gute Investition. Nicht nur die vielen Ärzte und Schwestern, die Hans immer wieder unterstützen, nutzen dieses Haus. Auch Priester und Regierungsangestellte übernachten hier manchmal. Für die Kontaktpflege unbezahlbar!
Von den neuen Wohneinheiten der Angestellten -die Verbesserung der Infrastruktur ist ein großes Ziel des AP- sind die Fundamente ausgehoben.
Das Infusionsprojekt läuft.

Auch der Rohbau des Arzthauses steht. Die elektr. Leitungen sind gelegt. Das Haus ist ein Teil der Bemühungen, die Lebensbedingungen hier so zu gestalten, dass ein einheimischer Arzt in Zukunft auch mit Familie hier leben und arbeiten will.
Am Montag und Dienstag -hier 2 Feiertage- war fast Normalbetrieb im Krankenhaus. Ich hatte mich mal Hans, mal Holger angeschlossen. Egal ob auf den Stationen oder in der Ambulanz: immer wieder schwerste Krankheitsbilder. Die Patienten kommen oft zu spät, die Eltern bringen die Kinder oft, wenn es zu spät ist. Das Sterben ist hier Alltag.

Am Dienstagmittag waren wir alle niedergeschlagen. Ein Säugling mit Durchfällen war unter Therapie schon gebessert, bekam einen schweren Rückfall und war stark ausgetrocknet. Holger legte in die Halsvene einen Zugang für die Infusion, das Kind starb unter seinen Händen. Ein Wiederbelebungsversuch blieb erfolglos. Am Mittwoch nahmen wir gegen Mittag wieder ein völlig ausgetrocknetes Kind auf. Die Mutter brachte es zu spät. Auch dieses Kind starb.
Immer wieder müssen Kinder aufgenommen werden, die bei Erkrankungen nach alter Tradition über das Feuer gehalten werden, um böse Geister zu vertreiben. Eine richtige Räucherung, die dann schwere Schädigungen der Lungen hervorruft. Oft ist diesen Kindern nicht mehr zu helfen.
Seit ich hier bin, sind 5 Kinder gestorben.
Bei den Erwachsenen sieht es gleich aus. Gestern Nachmittag sahen wir hintereinander 3 junge Frauen, schwerstkrank, jeweils mit schweren Ergüssen an den Lungen und im Herzbeutel. Der jüngsten konnten wir wenigstens ihre schwere Atemnot durch ene Punktion und Absaugen von 1,5 l Flüssigkeit lindern.

HIV mit allen Komplikationen, Tuberkulose, Lungenentzübungen, Malaria, Abszesse und Verbrennungen - das sind hier die häufigsten Erkrankungen. Und das in einer Schwere, wie wir sie in Deutschland nur selten sehen.

Ich habe mich heute morgen aus dem Klinikalltag ausgeklinkt. Ich wollte nicht dabei sein, wenn Hans mit Holgers Unterstützung, einm ca. 8-jährigen Mädchen den linken Unterschenkel amputiert. Als Folge eines Schlangenbisses entwickelte sich eine fürchterliche Nekrose (Zerstörung) weiter Teile des Unterschenkels, sodass an ein Überleben ohne Amputation nicht zu denken ist. Wähernd ich diese Zeilen schreibe, operieren Hans und Holger.

Ich werde heute Nachmittag erst wieder einsteigen. Zuvor will ich noch die Küche, Wäscherei und Sanitäranlagen besichtigen, um zu Hause berichten zu können.

St. Lukes 17.bis 24. August 2006

Der grösste Teil meines Aufenthaltes in St. Lukes ist jetzt vorbei.
In den letzten Tagen konnte ich die vom Afrikaprojekt unterstützten Schulen besuchen.Trotz der Ferien, die noch 14 Tage anhalten, konnte ich mir einen guten Überblick verschaffen. Alle Schulen sind durch unsere Unterstützung weiter gekommen. Lehrerunterkünfte, Bau neuer Klassenräume, neue Anstriche und Lehrmaterial wurden durch unsere Spenden erst möglich. Zu Beginn des neuen Schuljahres werden weitere Möbel an die 4 Schulen geliefert. Es sollte dann kein Kind mehr im Unterricht auf dem Boden sitzen müssen. Auch Lehrmaterial soll angeschafft werden. Zurzeit teilen sich 10 Kinder ein Buch!

Gestern besuchte ich das ca. 40 km von St.Lukes entfernte Internat Regina Mundi.Bei meinem letzten Aufenthalt hier vor drei Jahren besuchten wir diese Schule am `Regina Mundi Tag´. Einmal im Jahr lädt die Mission die Bevölkerung der Umgebung zu einem grossen Fest ein. Essen und Tinken sind frei. Natürlich war damals die gesamte Bevölkerung da. Einmal satt werden! Der 3 stündige Gottesdienst und die anschliessende Feier im Freien waren sehr eindrucksvoll!
Beim späteren Rundgang zeigte uns Pater Marco, ein eindrucksvoller einheimischer Priester, die Schulräume und die Internatsräume, die inzwischen 350 Mädchen und Jungen beherbergen. Erschreckend waren damals die sanitären Einrichtungen für die Kinder und Jugendlichen. Hier wurde mit unserer Hilfe renoviert. Die Verhältnisse sind zweifellos besser geworden, dennoch bin ich etwas enttäuscht, da viele Duschen und Waschbecken immer noch defekt sind. Hier müssen wir nachhaken.

Bei meinem letzten Aufenthalt war eine Behandlung der Aidserkrankung in Simbabwe nicht möglich. Das Afrikaprojekt begann auf Hans Schales` Wunsch Medikamente, die aus Indien bezogen wurden, für die Behandlung bereitzustellen. Inzwischen hat die Regierung ein Programm aufgelegt, welches die Therapie gewährleistet. Zwar steht nur eine Substanzgruppe zur Verfügung aus der 3 Medikamente kombiniert werden, dies bedeutet allerdings für hiesige Verhältnisse einen enormen Fortschritt! Eine Heilung der Errankung ist nicht möglich, auch nicht mit den in Europa zur Verfügung stehenden Substanzen, aber bei infizierten Patienten wird der Ausbruch der Erkrankung weit hinausgeschoben, bei bereits Erkrankten der Verlauf günstig beeinflusst. Das Leben wird wiederlebenswert.
Voraussetzung für die Aufahme in das Behandlungsprogramm ist allerdings, dass der Patient-in zunächst einmal im Abstand von 4 Wochen beraten wird und gewährleistet ist, dass er-sie alle 4 Wochen zur Kotrolle in die Klinik kommen kann. Oft scheitert die Behandlung, da die Kranken das Fahrgeld zur Klinik nicht aufbringen können!
Vorgestern half ich Holger und Angela Patienten in dieses Programm aufzunehmem. Angela organisierte den Ablauf, Holger machte die Anamese, die sehr ausführlich ist und genauesten dokumenteirt wird, ich untersuchte. 35 Patienten waren vorgesehen, 20 waren da ,gestern kamen noch einige Nachzügler.
Etwa 250 Patienten werden inzwischen schon behandelt, darunter 35 Kinder. Wöchentlich kommen 20 bis 30 neue Patienten dazu. Man kann sich vorstellen, wie schnell die Zahl wachsen wird. Wie das auf die Dauer zu schaffen sein soll? Ich weiss es nicht.
Unter den von uns aufgenommenen Patienten waren neben Erkrankten viele Infizierte noch ohne Krankheitssymptome, deren Aufnahme in das Behandlungsprogramm von der Zahl der sog. T-Helferzellen -verantwortlich für die Immunabwehr- abhängig ist. Voraussetzung ist die Bestimmung der Zahl dieser Zellen.Einen sog. CD4-Counter zur Zählung dieser Zellen hat das Afrikaprojekt gekauft.
Ein Problem ist die oft mangelnde Bereitschaft überhaupt erst einen AIDS-Test machen zu lassen. Frauen sind eher bereit, Männer weniger.AIDS bdeutet immer noch eine Stigmatisierug -trotz aller Aufklärungskampagnen. Hans und Holger gehen hier sehr offen -und auch offensiv- mit dieser Problematik um. Sie versuchen bei akuten Erkrankungen, für die AIDS als Grunderkrankung in Frage kommt,die Patienten zu einem Test zu bewegen. Nur in med. Notlagen kann ein Test ohne Einwilligung des Patienten erfolgen. Vor dem Test muss dazu noch ein Beratungsgesprächmit einer dazu ausgebildeten und autorisierten Person erfolgen. Trotzdem verweigern manche dann den Test. Hans berichtet, dass manchmal erst nach dem Tod des Mannes die Mutter sich und die Kinder testen lässt.

Unbedingt muss auch mehr in der Prävention passieren. Wie mir Stanley Zulu, ein Lehrer der Daluka-Schule, der mich bei meinem Schulbesuch begleitete, berichtet wird
in den Schulen in allen Stufen über AIDS gesprochen. Wichtig wären ausgebildete Krankenschhwestern, die in die Krals gehen und dort informieren.
Dies ist eines der Anliegen, welches ich mit nach Hause nehme.

Ich werde sicher eine Menge an Anregungen mit nach Hause nehmen!
Dr. Reiner Flöthner