Page 42 - Salibonani_7
P. 42
„THERE IS
NO HURRY Es ist schwierig, eine sinnvolle Art
zu finden, meine Erlebnisse und
IN AFRICA“ Erfahrungen beim Besuch des
Afrikaprojektes festzuhalten. Alle
Eindrücke unter einen Hut zu bekom-
KEINE EILE IN AFRIKA! men, ist fast unmöglich. Jeden Tag
passiert etwas Neues und alles ist so
anders als in Deutschland, sodass
man es eigentlich selbst erlebt haben
muss. Also berichte ich lieber in
einem „Wochenbuch“ aus dem Alltag
Woche 1: Einen Teil der Strecke
Ankunft und Fahrt nach St. Luke’s begleitet uns außerdem – natürlich stark komprimiert, um den
In den ersten Tagen in Simbabwe macht eine Schlange von Men- Rahmen nicht zu sprengen, von dem,
mein Gehirn regelmäßig Purzelbäume. Die schen mit Körben und
Buchhaltung im Kopf kommt einfach nicht Schubkarren bis zu einer was mich am meisten berührt hat.
nach mit der Archivierung der Eindrücke. heruntergekommenen
Obwohl man es ja aus Nachrichten, Zeitun- Hütte am Straßenrand,
gen, Filmen kennt, man es doch eigentlich dann kommt uns ein
weiß, wie es „da unten“ so läuft. Trotzdem: anderer Menschenstrom entgegen. Von allen
Alles ist anders, nicht nur anders, es ist auch Seiten kommen sie, oft mehr als 20 km, um
oft das Gegenteil. etwas abzubekommen, vielleicht etwas
umsonst von einer Hilfslieferung. Dass bei
Mich begrüßt eine grüne Hölle. „Es hat so dieser Reise in „afrikanischem Tempo“ ein tröpfelt so nur in Zeitlupe ins Land: „No
viel geregnet wie seit 60 Jahren nicht mehr“, ganzer Tag draufgeht, ist nicht schlimm, hurry in Africa!“
heißt es. In allen möglichen Grüntönen fei- denn Tage gibt es viele. Überhaupt gibt es
ert die Natur das Leben. Unendliche Weite, hier eines zu genüge, und das ist die Zeit. Die Woche 2:
sanfte Hügel mit Büschen, Bäumen und bietet sich hier an jeder Ecke gratis an, drängt Im Busch & im Krankenhaus
Gras überzogen, der Himmel mit kleinen sich einem fast schon auf und vor lauter Zeit Heute bin ich mit Hans in den Busch gefah-
Wolken, die in exakt gleichem Abstand ins vergisst man am Ende noch, was man machen ren, um Makhosi (ca. 8 Jahre) und Know-
Blau getupft sind. Es nicht möglich, die wollte. Aber „No hurry in Africa!“, bekom- ledge (14 Jahre) zu besuchen. Die beiden
Schönheit der Natur zu fassen, geschweige me ich hier oft zu hören. HIV-positiven Waisenkinder hat Hans in der
denn zu beschreiben. Das Land verschluckt Woche zuvor im Krankenhaus untersucht.
mich und trotzdem fühle ich mich so frei Also tragen die Menschen die Körner der Ihr Ernährungszustand ist sehr schlecht,
wie selten. niemals endenden Sanduhr ab, indem sie im Makhosis Oberschenkel sind so dünn wie
Schatten am Straßenrand warten (vielleicht meine Unterarme und Knowledge sieht aus,
Schnurgerade verläuft das graue Band der auf den Bus, vielleicht auf den Messias) als wäre er erst acht Jahre alt. Darum hat
Straße durch dieses Grün von Vicfalls nach oder indem sie von nirgendwo nach irgend- Hans für beide eine Grundausstattung mit
St. Luke’s. Immer wieder stehen ein paar wo gehen. So hat jede Kultur ihr eigenes Nahrung und Körperpflegeprodukten geor-
Ziegen, Kühe oder Esel auf dem Asphalt System entwickelt, um die Zeit des Lebens dert, die der Fahrer in Bulawayo einkauft
und gucken blöd, wenn man vorbei will. Mit totzuschlagen, hier mit Auf-Etwas-Warten und die wir in den Busch ausliefern. Wir
Esel sind hier sowohl die Tiere, als auch die und Wohin-Laufen, bei uns mit Fernsehen, wollen uns ihre Lebenssituation anschauen
Polizisten gemeint, die gerne eine lockere Internet und Stress. und sehen, wie wir sonst helfen können.
Schraube am Auto finden, durch die sie sich
ihren Lebensunterhalt mit einem Protokoll Doch die Erfindung des Stress wird an den Doch unsere Fahrt wird durch einen Wol-
finanzieren lassen. afrikanischen Grenzen hoch verzollt und kenbruch vereitelt, sodass wir den zweiten
42